Unsere Fragen an Autorin Anne Vonjahr zu ihrem neuen Buch „Die Phönixerfahrung“

Unsere Fragen an Autorin Anne Vonjahr zu ihrem neuen Buch „Die Phönixerfahrung“

Für wen eignet sich dein Buch?

Wir alle werden in unserem Leben mehrfach durch die Phönixerfahrung gehen. Sie ist eine archetypische, universelle Erfahrung, die tief verbunden ist mit unserem Menschsein und unserem inneren Wachstum. Die Phönixerfahrung beginnt stets mit einem großen Ereignis. Etwas geschieht, das uns aus unserem bisherigen Leben herausholt. Wir werden auf einmal großen Herausforderungen in unserer inneren und äußeren Welt gegenüberstehen und wir haben keine andere Wahl, als dem Ruf des Phönix zu folgen. Vielleicht endet eine Partnerschaft, man verliert die Arbeit oder sein Erspartes. Vielleicht trifft ein Schicksalsschlag die gesamte Familie, wir werden krank oder wir erleben einen schweren Verlust. Etwas, was wir dachten, dass es für immer zu uns gehören würde, zerfällt symbolisch in Asche und damit ein Stück unseres alten Selbstbildes. So erwartet uns eine Reise in unsere innere Welt, auf welcher wir heilen und ein neues Potential in uns erwecken können.

Ob ein Mensch gerade am Anfang seiner ersten oder einer weiteren Phönixerfahrung steht, ob man schon kurz davor ist, wiedergeboren zu werden, oder ob man gerade seine Flügel ausgebreitet hat und ein neues Kapitel in seinem Leben begonnen hat, dieses Buch wird -  auch rückblickend - wertvolle Erkenntnisse schenken und ein zeitloser Reiseführer durch stürmische Zeiten sein, um seinen Weg zu finden und wie der Phönix wiedergeboren zu werden.

​​Muss man an Magie glauben, um mit deinen Archetypen zu arbeiten bzw. sich in der „Welt von Beyond“ zurechtzufinden?

So wie dieses Buch sind alle meine Reisen Beyond von meiner Freundschaft mit William Morgan inspiriert. Ich habe ihn, meinen alten Freund und Mentor, immer einen Magier genannt. Denn das war er für mich. Aber William mochte es nicht, wenn ich ihn so nannte.

Er sagte, die meisten Menschen wüssten nicht, dass der Magier symbolisch für die Fähigkeit stehen würde zu erkennen, wie wir unsere Macht weise einsetzen können, klar zu erkennen worüber wir Macht haben und worüber nicht, wann und warum wir Macht verlieren und um Licht auf das zu werfen, was im Schatten ist. Denn damit beginnt die Transformation.

So steht die Magie in der Welt von Beyond für die große innere Arbeit, die Transformation unserer inneren Welt, damit wir immer mehr unsere Seele zum Ausdruck bringen können und weise mit unserer inneren Macht umgehen.

Eine Definition von Macht ist “Die Fähigkeit, zu beeinflussen." Genau dies tun Archetypen. Sie beeinflussen uns und sie erzählen uns davon, wie wir glauben, mit unserer Macht in der Welt am besten Einfluss zu nehmen. Aber weil Archetypen in unserem Unbewussten leben, beeinflussen sie uns oft, ohne dass es uns bewusst ist. Die Archetypen zu erkennen hilft uns, bewusst und weise mit unserer Macht umzugehen. So können  sie unsere Kreativität unterstützen, uns helfen, friedvolle Beziehungen zu führen, unser Licht leuchten zu lassen und unseren Beitrag zu leisten. Wir können unsere Macht weise nutzen, indem wir auch andere ermächtigen und sie darin unterstützen, ebenfalls ihr Licht zu finden. So wie William  mir half, mein Licht zu finden, indem er mich so viel über die innere Welt von uns Menschen und über ihre Bewohner, die Archetypen, lehrte.

Wie wichtig ist es, sich mit den eigenen „Schatten“ zu beschäftigen, um zufriedener zu werden? Und: Ist das nicht sehr deprimierend?

 Ich denke, dass einige Menschen Respekt vor der Schattenarbeit haben, weil sie ein Weg ist, sich das Unbewusste bewusst zu machen. Dazu gehören auch alte Wunden und Traumata, die wir verdrängt haben, weil wir einst nicht die Möglichkeit hatten, schmerzhafte Erfahrungen zu verarbeiten und zu heilen. So haben wir Selbstschutzstrategien entwickelt, um überleben zu können, die unbewusst so lange unser Verhalten, unsere Entscheidungen, Beziehungen und Gefühle bestimmen werden, bis wir eines Tages bemerken, dass uns diese nicht mehr dienen und uns in alten Mustern gefangen halten. Die Schattenarbeit ist daher nicht der Beginn der Dunkelheit, sondern es ist der Weg aus ihr heraus. Es ist eine Reise in die innere Welt, von der man mit so viel mehr Selbstliebe, Selbstwertgefühl, Kraft, Kreativität und Lebensfreude zurückkehren kann.

Du beschreibst auch deinen eigenen Weg der „Phönixerfahrung“, deinen Weg aus der persönlichen Krise heraus. Kannst du uns diesen Weg kurz skizzieren?

Die innere Reise, zu der uns die Phönixerfahrung einlädt, ist keine kurze und so fällt es mir schwer, meinen Weg aus meiner Krise kurz zu skizzieren. Ich möchte sie nicht wie eine schnelle, innere Transformation darstellen, die sie in Wahrheit nicht ist. Dieser Gedanke könnte in Menschen ein Gefühl hervorrufen, unter dem ich selbst einst sehr litt. Es gab eine Zeit, in der ich mich sehr unter Druck setzte, mein Leben schnell wieder aufzubauen. Ich glaubte, dass ich anderen Menschen beweisen müsste, wie fleißig ich meine innere Arbeit erledige, um in ihrer Wahrnehmung wieder perfekt zu sein. Bis ich eines Tages die Sätze hörte: “Mache die Zeit nicht zu deinem Ziel. Konzentriere dich auf die Veränderung, dann wird der Zeitplan für sich selbst sorgen.” Dieser Satz befreite mich aus meinen kläglichen Versuchen, mich selbst zu optimieren. Ein Weg, auf dem ich mich nur noch mehr verloren hätte.

 Archetypisch erwarten uns innerhalb der Phönixerfahrung sechs Schritte. Im ersten Schritt, wenn der Phönix beginnt, sein Nest zu bauen, spüren wir vielleicht bereits, dass eine Veränderung in der Luft liegt. Es ist ein inneres Gefühl, das sich bei einigen Menschen auch in ihren Träumen zeigen kann. Kurz bevor ich erkrankte, spürte ich, dass ich nicht nur eine schlechte Phase durchlebte, sondern dass ein Kapitel meines Lebens dabei war, zu Ende zu gehen. Und zugleich weigerte ich mich innerlich, dieses Gefühl anzunehmen. Dann kam der Tag, an dem meine Krankheit ausbrach und innerhalb von wenigen Tagen mein Leben, wie ich es bisher kannte, für immer veränderte. Was ich damals nicht wusste war, dass ich gerade am Anfang des zweiten Schritts der Phönixerfahrung stand, wenn symbolisch der mystische Vogel sein Nest in Brand steckt.

Im dritten Schritt, wenn der Phönix in Asche zerfällt, beginnt das große Ereignis seine ganze Wirkung zu zeigen, und die Zerstörung schreitet immer weiter voran. Je mehr wir versuchen, den Prozess aufzuhalten, umso mehr verlieren wir unsere Macht und Energie. Am Ende dieses Schrittes, sind wir aufgerufen, über die Schwelle in das Unbekannte zu treten, denn ein Zurück gibt es nicht mehr. Mir fiel es in diesem dritten Schritt so schwer, zu sehen, dass mein äußerer Status Quo dabei war, für immer zu zerfallen. Dies war die Zeit, als ich erstmals über die Schwelle des kleinen Ladens von William Morgan trat, der mir half zu verstehen, auf welchem Abenteuer ich mich befand und somit meinen Weg zu finden. Er ermutigte mich in meiner inneren Welt zurückzulassen, wer ich einst war und mich dem Unbekannten zu öffnen. William lehrte mich, mitfühlend mit mir zu sein. Während ich mir meiner alten Muster und Selbstschutzstrategien bewusst wurde, begann die Wunde dahinter zu heilen und Vertrauen in das zu haben, was ich noch nicht sehen konnte.

Damit beginnt der vierte Schritt der Phönixerfahrung. Wenn der Phönix stirbt, stirbt auch ein Teil unseres alten Selbstbildes. Für mich war dies der heiligste Moment, denn man lernt, die Stille und Leere in sich zu ertragen und zu akzeptieren, nicht zu wissen, wie es mit einem selbst und dem Leben weitergeht. Wir können das Leben nicht allein kontrollieren und alles, was neu geboren werden will, braucht seine Zeit. Bisher war ich es gewohnt gewesen, schwierige Situationen zu lösen, indem ich neue Strategien entwickelte und Pläne schmiedete. Stattdessen lehrte mich William, die Leere auszuhalten und zu akzeptieren, nicht zu wissen, welche Richtung mein Leben nehmen würde.  Indem ich das Alte wahrhaftig verabschiedete begann der fünfte Schritt meiner Phönixerfahrung.

Ganz langsam erwachten neue Archetypen in mir und ich erhielt neue Inspirationen. Sie führten mich zu neuen Türen, hinter denen neue Möglichkeiten auf mich warteten und ich fand einen neuen Mut in mir, sie zu durchschreiten. Ich spürte, dass ich, wie der Phönix, wiedergeboren wurde. Dann kam die Zeit, in der ich begann neue, machtvolle Entscheidungen zu treffen, für die ich vorher niemals den Mut, die Selbstliebe und das Selbstvertrauen gehabt hätte. Ich spürte, wie ein neues Potential in mir erwachte und ich endlich über die innere Macht verfügte, auch im Außen ein neues Leben zu kreieren. Dies war die Zeit, als ich, wie der junge Phönix, meine Flügel ausbreiten konnte und nach einer langen Zeit der Dunkelheit, für mich ein neuer Tag begann.

Die „Welt von Beyond“ entspringt nicht komplett der Phantasie: Wie viel Realität steckt in deinen Beschreibungen (und den Archetypen)?

Alle Menschen und Orte, die Teil meiner Geschichten sind, hat es wirklich gegeben. Aber weil ich die Menschen und Orte gerne beschützen möchte, habe ich ihre Namen geändert und einige Details. Ich bin davon überzeugt, dass alle Geschichten am Ende aus zwei Zutaten entstehen: Aus wahren Ereignissen und Vorstellungskraft, und wenn dem so ist, dann ist dies sicher auch so mit meinen Geschichten.

Gibt es einen Archetypen, der für dich besonders herausfordernd war?

Es gibt einige Archetypen, deren Lektionen für mich herausfordernd waren und einige, die es heute noch sind. Einige, wie das magische, innere Kind oder die Retterin, habe ich glorifiziert und mir war nicht bewusst, wie sehr ich ihre Schattenseiten lebte und damit mir und anderen den Weg schwer machte. Andere, wie der Zerstörer oder die Außenseiterin, waren für mich negativ besetzt und so übersah ich, wie sehr ich ihre lichtvolle Seite brauchte, um das Alte loszulassen und in das Unbekannte zu gehen.

Wenn ich heute an meine erste Phönixerfahrung zurückdenke, über die ich in meinem Buch schreibe, dann glaube ich, dass der Archetyp der weisen Frau für mich besonders herausfordernd war. Wir werden nur Weisheit finden, wenn wir bereit sind, in die Unterwelt hinabzusteigen. Und es ist leichter in der Unterwelt gefangen zu bleiben, als aus ihr wieder hervorzukommen. Damals, als ich erkrankte und mein Leben und alles, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte, vor mir in Asche zerfiel, wollte ich zu Beginn nicht wahrhaben, dass diese Krise meine Realität geworden war und kein schlechter Traum. Ich weigerte mich, bewusst in die Unterwelt zu reisen und mich meinen Schatten zu stellen. Als die Dunkelheit mich immer mehr einhüllte, war es mir, als würde ich keinen Weg aus ihr herausfinden und ich glaubte es wäre leichter, in ihr gefangen zu bleiben - das heißt, unbewusst zu bleiben, statt mich der Herausforderung zu stellen, schmerzhafte Erfahrungen in Weisheit zu verwandeln und somit das Geschenk zu bergen, das auf mich wartete. Es sind die weise Frau und der Magier Archetyp, die uns helfen, aus dem Schmerz etwas Bedeutendes zu machen, etwas so Bedeutungsvolles wie vielleicht die Liebe zu uns selbst und damit schlussendlich auch die Liebe zu den Menschen. Was man auf dieser Reise durch die Unterwelt braucht, ist Hoffnung. Und was Hoffnung ist oder vielmehr, was sie nicht ist, auch das habe ich während meiner Phönixerfahrung gelernt. Vielleicht habe ich der Hoffnung deswegen einen ganz besonderen Platz in meinem Buch geschenkt, ohne dass es mir während des Schreibens bewusst war.

Dein Buch ist wie ein Reisebegleiter auf dem Weg zu uns selbst. Wie praktisch ist deine Art der Schattenarbeit?

Ich habe in meinem Leben vor einigen Herausforderungen gestanden, so wie viele andere Menschen auch und mir die Fragen gestellt: “Warum wiederholt sich diese Erfahrung in meinem Leben? Wieso geschieht das mir? Wieso verfalle ich immer wieder in ein altes Muster? Wer bin ich wirklich und was schlummert noch verborgen in mir, von dem ich bisher nichts ahnte?”

Alles was ich mit den Menschen teile, kann ich nur erzählen, weil ich diese Reisen in meine innere Welt angetreten habe, um auf die großen Fragen in meiner grenzenlosen inneren Welt Antworten zu finden.

Mein Wunsch ist es, Menschen bei ihren Abenteuern den Mut zu schenken, den einst andere mir schenkten und der mir half, nicht aufzugeben. Wenn wir erkennen, dass das, was wir erleben, ein Menschheitsschicksal ist und wir damit nicht allein sind, schenkt uns dies die Hoffnung, dass auch wir es meistern können. Mein Wunsch ist es, Menschen das weiterzugeben, was einst mein alter Freund William Morgan und andere weise Weggefährten mit mir teilten und das mir half, mich und meine innere Welt so viel besser zu verstehen, um so auch meine äußere Welt zu verändern.

Ich kann niemandem die praktische Schattenarbeit abnehmen. Aber ich hoffe, mit meinen Geschichten Menschen dabei begleiten und inspirieren zu können und ihnen den Glauben zu schenken, dass sie, wie die Heldinnen und Helden in den großen Geschichten, die Kraft in sich finden können, sich selbst zu retten, wie dunkel es auch immer sein mag. Ich bin selbst Reisende und ich hoffe sehr es gelingt mir, für einige Menschen auch eine gute Reisebegleiterin in ihrer inneren Welt zu sein.