© Johannes Rodach

5 Fragen zur Spiritualität …

… beantwortet von Ilona Daiker

Was bedeutet Spiritualität für dich?

Auf den Punkt gebracht: Spiritualität bedeutet für mich die Erkenntnis und vor allem auch die Erfahrung von Verbundenheit – sehr gut ausgedrückt in dem von Thich Nhat Hanh geprägten Begriff des „Interseins“. In dem Moment, in dem wir uns nicht mehr als getrennt von der Welt existierende Subjekte erleben – und das kann sowohl auf dem Meditationskissen als auch beim achtsamen Essen oder Spazierengehen sein -, entsteht die Erfahrung der Verbundenheit auf ganz natürliche Weise.

Was war deine bisher bedeutsamste spirituelle Erfahrung?

Eine ganz besonders intensive Erfahrung von Einssein habe ich vor vielen Jahren bei einer Sonnenuntergangsmeditation gemacht. Ich war damals in Sri Lanka und habe an einem mehrwöchigen Retreat in einem buddhistischen Zentrum teilgenommen. Aber möchte eigentlich davor warnen, solche Momente, die sich ein bisschen wie „Erleuchtung“ anfühlen, überzubewerten. Entscheidend ist für mich viel mehr, wie wir es schaffen, Spiritualität in unseren Alltag zu integrieren und das nicht nur durch regelmäßige Meditation, sondern auch durch ethisches Handeln.

Warst du schon immer spirituell oder gab es ein bestimmtes Erlebnis, das dich auf den spirituellen Pfad geführt hat?

Als kleines Kind liebte ich die katholischen Rituale meiner Großmutter, doch später war ich viele Jahre lang alles andere als spirituell und hatte mit Religionen und vor allem mit der Macht der großen Kirchen und Religionsgemeinschaften gar nichts am Hut. Im Großen und Ganzen trifft das auch immer noch auf mich zu. Der buddhistische Pfad, den ich später beschritten habe, ohne mich aber als Buddhistin bezeichnen zu wollen, kam mir sehr entgegen, weil es da nicht um Glauben, sondern um Erfahrung geht. Weil ich Rückenschmerzen hatte, beschloss ich gegen Ende meines Studiums der Literaturwissenschaften Aikido, eine sanfte japanische Kampfkunst, zu erlernen. Mein Aikido-Meister war auch Zen-Lehrer, und so kam es, dass ich anfing zu meditieren und zu spüren, dass es mir guttut. Da tat sich neben meiner intellektuell und politisch geprägten Sichtweise noch ein ganz anderer Zugang zur Welt auf – und das hat mich fasziniert.

Welche Botschaft möchtest du deinen Leserinnen und Lesern mitgeben?

Das ist eine sehr große Frage, und ich möchte versuchen, sie ganz einfach zu beantworten: Nimm dir regelmäßig Zeit nur für dich alleine und trete mit dir selbst in Kontakt, ohne dich mit irgendetwas abzulenken. Akzeptiere und liebe dich selbst so wie du bist, hab Mitgefühl mit dir und anderen, und versuche heilsame innere Haltungen zu kultivieren wie Dankbarkeit, Wohlwollen, (Mit-)Freude, Großzügigkeit und Liebe. Suche deinen eigenen Weg und überprüfe immer wieder, ob er sich positiv auf dich und dein Umfeld auswirkt. Und glaube niemals, dass deine Perspektive auf die Welt die einzig richtige ist.   

Was wünschst du dir für die heutige Welt von einem spirituellen Standpunkt aus?

Von Buddha ist das Zitat überliefert: „Alles Glück auf der Welt entsteht aus dem Wunsch, dass andere glücklich sein mögen.“ Das klingt jetzt vielleicht allzu altruistisch, aber aus der Perspektive des Verbundenseins ist das eigene Glück nur möglich, wenn auch andere glücklich sind. Es geht also nicht darum, sich aufzuopfern zugunsten von anderen, sondern eine gesunde Balance zu schaffen. Und das betrifft auch unseren Umgang mit der Natur, den Tieren und Pflanzen. Die hemmungslose Ausbeutung dieser „Ressourcen“ muss aufhören, wenn wir auch noch unseren Enkeln eine Welt hinterlassen wollen, in der sie leben können.